Glück

Prof. Dr. Herbert Schaaff ist Geschäftsführer Personal bei der Vallourec Deutschland GmbH in Düsseldorf. Als Honorarprofessor für Personalmanagement lehrt er zusätzlich an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich unter anderem mit der Glücksforschung.
Happiness im Business: Über Glück als neuen Erfolgsfaktor in der Unternehmensführung

Marc-Stefan Brodbeck im Gespräch mit Prof. Dr. Herbert Schaaff

Was hat Sie in Ihrer Laufbahn zum Thema Glück geführt?
In meiner Zeit als Assistent an der RWTH Aachen haben wir angesichts der damals intensiv diskutierten “Grenzen des Wachstums” viel über die eigentlich sinnvolle und nachhaltige Zielsetzung von Wirtschaften jenseits von stetigem Wachstum gesprochen. In Anlehnung an antike Philosophen stießen wir auf die Glücksthematik, die mich von Beginn an fasziniert hat.

Glück ist für jeden individuell erlebbar. Wer oder was ist Glück für Sie?
Glück ist in der deutschen Sprache doppelt belegt, einmal als “glücklicher Zufall”, im Sinne eines Lottogewinns. Ich persönlich verbinde Glück mit der zweiten Bedeutung als unterschiedlich langanhaltender euphorischer Gefühlszustand und/oder eine langanhaltende, nachhaltige Zufriedenheit, das Wohlbefinden möglichst mit dem ganzen Leben. Als Beispiele für die vielen Facetten des Glücks denke ich an meine Familie, meine Frau und meine vier Kinder oder aber auch die Besteigung eines für mich anspruchsvollen Berggipfels.

Bekanntermaßen können wir Glück nicht kaufen – wie finden wir es dann?
Wir finden Glück, indem wir uns zunächst Gedanken über unsere eigenen Bedürfnisse und Wünsche machen. Und natürlich macht es Sinn, einen möglichst flexiblen Lebensplan für sich zu entwickeln. Das heißt konkret: Was will ich mit wem bis wann, mit welcher Priorität und warum erreichen? Daran spiegelt sich dann das jeweils Erreichte, woraus sich schließlich – zweifellos oftmals im Wechsel – Glück und Unglück speisen.

Was hat Sie bei Ihrer Beschäftigung mit der Glücksthematik am meisten überrascht/erstaunt/begeistert?
Wie viel seit der Antike zu diesem Thema gedacht und geschrieben worden ist. Dass es offensichtlich eines der zentralen Sinnthemen des Menschen ist. Und es Spaß macht, sich damit über viele Jahrzehnte, vor allem auch wissenschaftlich, zu beschäftigen. Spannend ist und bleibt aber für mich: Recht viele Menschen leben offensichtlich orientierungslos am eigenen Glück vorbei.

Warum sollten wir auch im Businesskontext über Glück sprechen?
Einerseits ist das Glück selbst Teil eines Geschäfts. In einer Marktwirtschaft wird alles, was zumindest teilweise käuflich ist, käuflich gemacht. Man denke an Glücksliteratur, Glücksberatung oder Tourismus. Darüber hinaus ist es für jedes Unternehmen vorteilhaft, sicherzustellen, dass ihre Mitarbeitenden mit dem jeweiligen Aufgabeninhalt, der Arbeitsumgebung, den Kolleginnen und Kollegen und vor allem ihren Führungskräften zufrieden sind.  Bestenfalls sogar mehr als das. Der sozusagen „optimale“ Arbeitseinsatz zwischen den Extremen der Unter- und Überforderung – und die entsprechende Vermeidung von Boreout und Burnout – kann zudem hier und da sogar wirkliche Glückserlebnisse mit sich bringen. Zufriedenheit und Glück im Job sollten immer produktivitäts- und performancesteigernde Auswirkungen haben. Darauf basierend konnte auch der Zusammenhang zwischen Mitarbeiter-Commitment und Kundenzufriedenheit nachgewiesen werden.

Wie gehören Wirtschaft und Glück zusammen?
Nun, Geld macht ab einer gewissen Einkommenshöhe zwar erwiesenermaßen nicht wirklich glücklich oder glücklicher, auch wenn darüber immer mal wieder auf hohem Niveau gestritten wird. Aber ohne einen gewissen, zweifellos auch geldbasierten, materiellen Wohlstand ist es schwierig, tatsächlich glücklich und zufrieden zu sein. Die meisten Studien zu diesem Thema gehen davon aus, dass ab ca. 70.000 Euro Jahreseinkommen kein zusätzliches Glück durch zusätzliches Einkommen erzeugt wird. Der eigentliche Betrag ist hier unbedeutsam. Die Tatsache des abnehmenden Grenznutzens, auch von Geld, ist durchaus schon länger bekannt und dieses Phänomen hat bestimmt jeder auch bei sich selbst schon beobachtet. Bereits 1854 beschäftigte sich der deutsche Nationalökonom Herman Henrich Gossen mit dieser Thematik. Übrigens sind schrittweise Gehaltserhöhungen im Vergleich zu einer einmaligen, gleichwertigen Erhöhung glückstechnisch durchaus vorzuziehen – man freut sich halt tatsächlich mehrmals.

Hat Glück auch etwas mit Führung zu tun? Haben Führungspersönlichkeiten Einfluss auf das Glück Ihrer Mitarbeitenden?
Ja, definitiv! Die Qualität der Arbeit hängt stark von der Führungskraft ab. Beispielsweise mit Blick auf Führungsstil, Vorbildfunktion oder Feedbackverhalten. Nicht umsonst ist die (schlechte) Führungskraft in sehr vielen Fällen der wichtigste Kündigungsgrund – bis zu 50 % der Kündigungen lassen sich darauf zurückführen. Ich selbst präferiere eine glücksorientierte Führung und orientiere mich dabei an Dieter Jaehrlings Buchtitel „Fröhlich führen“. Allerdings muss ich zugeben, dass dieser Stil nicht ausnahmslos in jeder beruflichen Situation gelingt.

Und wie wirkt sich das konkret auf die Mitarbeiterzufriedenheit aus?
Mitarbeiterzufriedenheit ist ein durchaus zwiespältiges Spielfeld. Sind Mitarbeitende zu sehr zufrieden, so besteht durchaus die Gefahr einer Selbstzufriedenheit, die verbunden sein kann mit Innovationsarmut, schwächer werdender Leistungsbereitschaft bis hin zur Lethargie. Ich spreche in diesem Zusammenhang deshalb lieber von Mitarbeiter-Commitment und Mitarbeiterengagement. Dies sicherzustellen ist einerseits Aufgabe der Führungskraft, aber auch der Mitarbeitenden selbst. Nur so kann die Performance abgesichert und gleichzeitig die Mitarbeiterbindung erhöht werden.

Was sagen Sie – wie funktioniert Glück also im Unternehmen?
So wie im normalen Leben auch. Erkennen wir Sinn in dem, was wir tun – heute nennt man das “purpose” – sind wir zufrieden. Empfinden wir Wohlbefinden bei dem, was wir tun, und auch mit wem (Kolleginnen und Kollegen) bzw. für wen (Führungskraft und Unternehmen) wir es tun, und passen Fähigkeiten, Kenntnisse, Bedürfnisse und Anforderungen des Arbeitsplatzes und des Arbeitsinhalts zusammen, dann ist die Basis für ein glückliches Arbeiten gelegt.

In einigen Unternehmen gibt es Happiness-Manager oder ähnliche Funktionen. Was halten Sie davon?
Das ist aus meiner Sicht sicher eher ein Aufsehen erregender Marketinggag oder bemühter Teil einer Employer-Branding-Strategie, aber wahrscheinlich konkret gemessen so hilfreich wie der legendäre Obstkorb. Ein solches Thema, ein glücksorientierter Grundansatz, lässt sich keineswegs auf eine Person herunterdelegieren, sondern muss integraler Teil einer Unternehmenskultur sein. Dies zu implementieren, bedarf allerdings viel Intelligenz, Augenmaß und vor allem viel Zeit.

Lässt sich Glück messen?
Ja, in der Hirnforschung lassen sich Glücksgefühle tatsächlich im Computertomograph sichtbar machen. In der längerfristigen Glücks- bzw. Zufriedenheitsforschung arbeitet man üblicherweise mit Befragungen, z. B. mit der einfachen Frage “Wie glücklich sind Sie derzeit alles in allem?” (Skala 1 = sehr unglücklich, bis Skala 10 = sehr glücklich). In Deutschland liegt der Ergebniswert – regional unterschiedlich – seit vielen Jahren zwischen 7,0 und 7,5. Da diese Befragungen seit Jahrzehnten regelmäßig durchgeführt werden, kann man auch Veränderungen erkennen.

Einmal andersherum gedacht: Was macht Sie so richtig unglücklich?
Das kommt nicht oft vor, aber es fällt mir extrem schwer, mit ignoranten Menschen zusammenzuarbeiten.

Eine letzte Frage zum Abschluss: Was sind die großen Themen und Herausforderungen in Ihrer aktuellen Funktion?
Mein Unternehmen ist derzeit vom Shareholder zum Verkauf gestellt. Diesen Prozess von HR-Seite zu begleiten ist eine neue und spannende, aber auch anstrengende Herausforderung. An der Hochschule versuche ich immer wieder, junge Studentinnen und Studenten für das strategische Personalmanagement zu begeistern – das gelingt sogar recht häufig und macht mich dann ein bisschen glücklich(er).

Lieber Herr Prof. Schaaff, herzlichen Dank für Ihre spannende Perspektive auf das Thema!

Recht viele Menschen leben offensichtlich orientierungslos am eigenen Glück vorbei.

Prof. Dr. Herbert Schaaff


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